Ende der Ära Blumencron für Spiegel und SpOn
Vom 1. Dezember 2000 bis Anfang 2008 war der nun abberufene Mathias Müller von Blumencron Chefredakteur von Spiegel Online, bis er zusammen mit Georg Mascolo an die Spitze des Print-Spiegels rückte. Ab Februar 2011 war Blumencron offiziell der Digital-Beauftragte des Doppelspitze, trotz oder wegen der kolportierten Auseinandersetzungen um die Digitalstrategie des Spiegels und das Reizwort Paid Content (Die Devise: „Gemeinsam Marschieren, getrennt schlagen“ ging freilich nicht ganz auf.).
Ingesamt war Blumencron also mehr als 12 Jahre für die Ausrichtung von Spiegel Online verantwortlich, seit der ehemalige US-Korrespondent des gedruckten Spiegel die SpOn-Chefredaktion nach einer hektischen Boomphase unter seinem Vorgänger Hans-Dieter Degler übernahm.
Großer Applaus eben im Newsroom von @spiegelonline für Müller von Blumencron.
— Friedrich Lindenberg (@pudo) 9. April 2013
Blumencron machte SpOn endgültig zum Nachrichten-Marktführer des deutschen Online-Journalismus und zum Leitmedium für die Berliner Republik (auch wenn das Kollegen anderer Medien lange nicht zugeben wollten). Immer wieder kritisiert wurde – auch von onlinejournalismus.de – hingegen der gefühlt wachsende Anteil von Boulevardthemen, die teilweise hektische Überdrehtheit von Teasern und Schlagzeilen auch bei harten Themen.
Was die Weiterentwicklung von interaktiven und multimedialen Formaten angeht, verfolgte SpOn unter Blumencron wie beim Design angekommen den Kurs behutsamer Neuerungen, setzte immer wieder Zeichen, ohne wirklich zum Avantgardisten zu werden. Ähnlich die abwartende Haltung in Sachen Bezahlinhalte: „Warum sollte ausgerechnet Spiegel Online Vorreiter sein?“ fragte Rüdiger Ditz 2009, der Blumencron als direkter Spiegel-Online-Chef nachfolgte.
Der Erfolg dieser Linie Recht – vor allem in Vergleich mit den Schlingerkurs anderer Printhäuser. Man darf gespannt sein, was jetzt kommt. Vielleicht kehrt ja mit Wolfgang Büchner von der dpa jemand zurück, der schon mal im Team mit Ditz für die operative Umsetzung der Blumencron-Linie verantwortlich war.
Dazu drei aktuelle Stimmen – und rückblickend auf die Ära Blumencron ein paar Links auf ältere Beiträge von uns.
Wolfgang Blau, bis vor kurzem Chef von Zeit Online und nun beim Guardian:
Deutschlands Online-Journalismus verdankt Mathias Mueller v. Blumencron sehr, sehr viel. Ich bin entsetzt ueber die Art des Umgangs mit ihm.
— Wolfgang Blau (@wblau) 9. April 2013
Die Geschäftsführerin von Standard.at meint:
Wahnsinn, jenen zu kündigen, der gezeigt hat wie Medien-Wandel erfolgreich zu bewältigen ist, mM Ergebnis v. Machtspiel, oder?#Spiegel
— G. Hinterleitner (@Hinterleitner) 9. April 2013
Und Thierry Chervel vom Perlentaucher analysiert:
Der #Spiegel hat nur Zukunft, wenn die Mitarbeiter-KG die Online-Leute integriert. Mein Kommentar: perlentaucher.de/blog/357_der_m…
— Thierry Chervel (@chervel) 11. April 2013
Mehr über Mathias Müller von Blumencron bei onlinejournalismus.de:
- Spiegel: Blumencron und Mascolo jetzt offiziell: Eine gute Nachricht?(05.02.2008)
- Der neue Hype (auch in „Journalist“ 12/2007): Blumencron über Qualitätsjournalismus bei Spiegel Online, hier findet sich auch seine umstrittene Kritik an der Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung „Klicks, Quoten, Reizwörter: Nachrichtensites im Internet“ (siehe hierzu auch das Weblog der Studienautoren, Werkkanon: „Wir fordern eine Entschuldigung von Mathias Müller von Blumencron“).
- „Die haben uns vom Stuhl gehauen“: Blumencrons Prognosen für das Online-Jahr 2007
- „99 Prozent der Blogs sind Müll“: Blumencrons umstrittene Aussage in einem im Oktober 2004 geführten Interview, später revidierte er diese Ansicht (siehe Interview mit Kristin Kolodzei im Magazin „Webwatching“).
- „Nur wenige werden überleben …“: Blumencron erklärt, warum guter Journalismus im Netz eine Chance hat, Interview aus dem Jahr 2003